Zahlen und Fakten
Low-Code als Game-Changer
85 % der CIOs sehen Low-Code-Apps als sehr wichtig oder geschäftskritisch an (businesswire, 2023).
SAP-Kunden setzen auf BTP
55 % der befragten SAP-Anwender nutzen bereits die Business Technology Platform (BTP),
2023 waren es noch 40 % (asug, 2025).
Großprojekte liefern wenig ROI
~30 %
der erhofften Effekte digitaler Großinitiativen werden im Schnitt erreicht (McKinsey 2022).
Warum klassische Großprojekte nicht mehr funktionieren
Viele Unternehmen haben in der Vergangenheit auf umfassende Großprojekte gesetzt – etwa die Einführung einer neuen CRM-Suite oder die komplette Neugestaltung der Service-Prozesse. Solche Mammutvorhaben geraten jedoch zunehmend ins Stocken:
- Lange Dauer, langsamer Nutzen: Ein großes IT-Projekt kann Jahre bis zum Go-Live benötigen. In dieser Zeit warten die Fachabteilungen auf Verbesserungen – ein No-Go in einer Geschäftswelt, die heute schnellen Wandel fordert. Fachbereiche wie Sales oder Service können es sich nicht mehr leisten, jahrelang auf Ergebnisse zu warten. Der Druck, flexibel zu reagieren, ist durch Faktoren wie Fachkräftemangel und volatile Märkte noch gestiegen.
- Hohe Komplexität, hohes Risiko: Große Projekte versuchen oft, zu viel auf einmal zu lösen. Die Planung wird komplex, Budgets schwellen an und das Risiko zu scheitern steigt. Gerade fachliche Anforderungen ändern sich während langer Realisierungsphasen häufig – das Projekt liefert dann am Ende vielleicht am Bedarf vorbei. Es besteht die Gefahr, dass Business und IT aneinander vorbeiarbeiten, weil zwischen Fachkonzept und technischer Umsetzung zu viel Zeit und Kommunikation liegt.
- Überlastung der IT: Traditionell galten IT-Abteilungen bei solchen Vorhaben als Flaschenhals – zu wenig Ressourcen, zu viele Abhängigkeiten, alles dauert länger als gewünscht. Die IT musste sämtliche Anforderungen umsetzen, während die Fachseite wartete. Das führt zu Frust auf beiden Seiten.
- Steigende Kundenerwartungen: Parallel sind die Ansprüche der Kunden gestiegen. Im B2B erwarten Einkäufer heute z.B., Infos selbst online abrufen zu können, Angebote schneller zu erhalten und rund um die Uhr Service zu bekommen. Lange interne Projektlaufzeiten machen es schwer, mit dieser Erwartungshaltung Schritt zu halten. Wer digital nicht schnell liefert, verliert Kunden.
Diese Faktoren machen deutlich, warum Mammutprojekte an Wirksamkeit verlieren. Unternehmen brauchen einen neuen Ansatz, um ihre CX-Prozesse weiterzuentwickeln: schneller, flexibler und näher am Fachbereich. Hier kommen Business Apps ins Spiel.
Business Apps – schnell, flexibel, passgenau
Business Apps sind kleine, modulare Anwendungen, die eine klar umrissene Geschäftsanforderung lösen – beispielsweise eine App zur Preiskalkulation, ein Tool für Lead-Erfassung oder ein Kundenportal für Service-Tickets. Anstatt ein riesiges System zu wälzen, wird punktuell dort angesetzt, wo der Schuh drückt. Das bringt entscheidende Vorteile:
- Spürbare Ergebnisse in kürzerer Zeit: Eine Business App wird in Wochen oder wenigen Monaten entwickelt, nicht erst in Jahren. „Es geht darum, flexiblere Lösungen anzusetzen,“ betonte SYBIT-Experte Thomas Winter, „statt ein Riesenprojekt aufzusetzen“. Durch diese kurzen Zyklen sehen Fachbereiche schnell Erfolge, etwa in Form eines funktionierenden Prototyps bzw. MVP (Minimum Viable Product). Bei SIEGENIA wurden im Vertriebsprojekt z.B. laufend MVPs präsentiert, um den Nutzern zu zeigen: Schaut her, da gibt es schon etwas Anwendbares! Dieses iterative Vorgehen steigert die Akzeptanz enorm, weil die Anwender nicht bis zum Schluss im Ungewissen bleiben.
- Bessere Planbarkeit & Budgetkontrolle: „Ich habe einfach mehr Überblick, wenn ich eine kleinere Einheit habe, die ich besser planen kann,“ so Peter Wagner von SIEGENIA. Einzelne Apps lassen sich überschaubar projektieren, hinsichtlich Aufwand und Kosten. Unternehmen können Budgets gezielt auf kleine Vorhaben verteilen und bei Bedarf nachsteuern – anstatt einen Blankoscheck für ein Riesenprojekt auszustellen. Das Risiko sinkt: Fällt eine Idee durch, ist nicht gleich das ganze Programm gescheitert.
- Fokus auf den Fachprozess: Jede App wird für einen konkreten Use Case gebaut – z.B. eine Konfigurator-App für Angebote oder eine mobile Anwendung für Außendienst-Berichte. Dadurch passt die Lösung genau zu den Anforderungen des Fachbereichs, ohne unnötigen Ballast. Wagner berichtete, dass solche Apps genau den Use Case bedienen, den der Fachbereich will. Das erhöht den geschäftlichen Nutzen und stellt sicher, dass am Ende wirklich das Problem der Fachabteilung gelöst wird (Geschäftsnutzen vor Technikdetails).
- Höhere Akzeptanz und Beteiligung: Wenn Vertriebs- oder Serviceteams früh Ergebnisse sehen und sogar mitreden können, steigt die Identifikation. Fachanwenderinnen und Anwender fühlen sich ernst genommen und arbeiten gerne am Feinschliff mit. So werden aus IT-Lösungen echte Business-Lösungen. Im Talk wurde deutlich, dass Fachbereiche am besten wissen, was der Markt und Kunde verlangt, und ihr Input daher elementar ist. Business Apps ermöglichen es, diesen Input direkt einfließen zu lassen.
- Modularität und Wiederverwendung: Business Apps sind keine Sackgassen, sondern Bausteine. Oft lassen sie sich an mehreren Stellen einsetzen und später sogar ausbauen. Bei SIEGENIA etwa kommt der entwickelte Produktkonfigurator intern für die Angebotskalkulation und extern als Kunden-Self-Service zum Einsatz. „Wir haben den Konfigurator sozusagen mehrfach benutzt und als separate App bereitgestellt,“ so Wagner. SYBIT-Experte Winter ergänzte: Man kann eine solche App später auch Partnern zur Verfügung stellen oder um weitere Funktionen erweitern. Die Architektur ist offen für Wachstum, anders als starre Monolithen. Am Ende lassen sich die einzelnen Apps wie Puzzleteile zum großen Gesamtbild zusammenfügen – ohne von Beginn an alles planen zu müssen.
Wie werden Business Apps technologisch umgesetzt? In der Regel mithilfe moderner Cloud-Plattformen. Im SAP-Umfeld bedeutet das: Side-by-Side Extensions auf der SAP BTP. Die Apps laufen getrennt vom Kernsystem, greifen aber via APIs und Services auf benötigte Daten und Funktionen zu. Auch Low-Code-Tools kommen je nach Anforderung zum Einsatz, z.B. für schnelle Workflow-Prototypen. Wichtig ist jedoch, dass am Ende die Qualität und Sicherheit stimmen – komplexe Apps werden daher meist von professionellen Developer-Teams fertiggestellt, selbst wenn ein Fachbereich Vorarbeiten in No-Code geleistet hat. Kurz: Business Apps verbinden Schnelligkeit mit Robustheit.
Neue Rolle der IT: Vom Bottleneck zum Enabler
Damit Fachbereiche mit Business Apps durchstarten können, braucht es die richtige Rolle der IT-Abteilung. Im traditionellen Modell war die IT oft überlastet und galt als Bremse („Geht nicht, dauert zu lange“). Dieses Bild wandelt sich gerade grundlegend:
- IT liefert die Plattform und Leitplanken: Moderne IT-Organisationen verstehen sich als Enabler (Ermöglicher) für die Fachabteilungen. Sie stellen Plattformen wie die SAP BTP bereit und definieren klare Governance-Regeln – z.B. Vorgaben zur Sicherheit, Datenhaltung und Schnittstellen. Innerhalb dieser Leitplanken können Fachbereiche agil agieren, ohne Wildwuchs zu erzeugen. „Es soll kein Zoo entstehen, sondern wir haben gewisse Leitlinien, an die sich jeder hält,“ so Thomas Winter über die Vorgaben der IT. Die zentrale IT sorgt also für Stabilität und Integrität der Systemlandschaft, lässt aber bewusst Freiräume für Flexibilität.
- „Keep the Core Clean“ – Kernsystem schlank halten: Side-by-Side-Apps bedeuten, dass die Kern-Anwendungen (z.B. ERP, CRM) möglichst unangetastet bleiben. Neue Funktionen werden nicht mehr direkt ins Kernsystem „hineinentwickelt“ (wie früher oft üblich), sondern extern darauf aufgesetzt. Das hat enorme Vorteile: Updates der Standardsoftware bleiben unkompliziert und die Stabilität des Kernsystems wird nicht gefährdet. Die SAP verfolgt diesen Ansatz konsequent – in der neuen Sales & Service Cloud (Version „V2“) geht das so weit, dass Kunden gar nicht mehr am Kern „herumpfuschen“ können. Anpassungen erfolgen ausschließlich via Erweiterungs-Apps. Microservices sind dabei das Architekturprinzip der Wahl: Jede App wird in kleine, unabhängige Services zerlegt, die über Schnittstellen zusammenarbeiten. Fällt ein Baustein aus, läuft der Rest weiter – das System als Ganzes bleibt verfügbar. Zudem kann man einzelne Komponenten jederzeit austauschen oder skalieren, ohne das große Ganze neu zu starten. Diese Modularität zahlt voll auf Business Apps ein.
- Integration statt Silos: Ein häufiger Einwand: „Wenn jede Abteilung ihre eigene App baut, haben wir am Ende lauter getrennte Datentöpfe.“ Die Lösung liegt in sauberer Integrationsarchitektur. Business Apps greifen idealerweise auf die vorhandenen Datenquellen zu, statt eigene zu führen. Thomas Winter erklärte: In den meisten Fällen benötigen die Apps gar keine separate Datenbank, weil sie Daten live über Schnittstellen abrufen und zurückschreiben. „Wir lassen die Daten da, wo sie hingehören. Wir bauen keine zweite Datenhaltung auf.“ So bleiben z.B. Kunden- und Produktdaten zentral im CRM/ERP, die App nutzt sie nur temporär. Sollte doch mal eine eigene Datenbank nötig sein, wird dies sehr bewusst entschieden – Daten-Duplikate werden als Problem erkannt und vermieden. Dieses Integrationsprinzip gewährleistet, dass alle Apps ins übergreifende Datenbild passen. Ergänzend ist natürlich eine gute Gesamt‐Datenstrategie hilfreich (Stichwort Data Warehouse oder Data Lake), aber kein Muss: „Um eine kleine Portal- oder Sales-Cloud-Erweiterung zu bauen, brauche ich keinen kompletten Data Lake“, so Winter. Mit Blick auf Flexibilität warnt er sogar: Wer erst auf das perfekte Data Lake Projekt wartet, „macht die nächsten zwei Jahre gar nichts“. Sprich: Lieber agil integrieren, als auf die große Datenlösung zu warten.
- IT- und Fachwissen verzahnen: Durch den Plattform-Ansatz verändert sich auch die Zusammenarbeit. Statt starrer Lastenhefte setzt man auf interdisziplinäre Teams. Die IT stellt z.B. einen Product Owner oder Architekten, der mit dem Vertriebs- oder Servicemanager gemeinsam die App entwickelt. So fließt das Geschäftswissen direkt ein, während die IT für saubere Umsetzung sorgt. In manchen Fällen können Citizen Developer im Fachbereich per Low-Code einen Prototyp bauen, den die IT dann professionalisiert – so bleibt das Know-how im Unternehmen. Generell gilt: Die IT-Abteilung gibt Orientierung und gewährleistet Qualität, aber sie ist nicht mehr alleinige Herstellerin aller Lösungen. Sie wird zur Beraterin und Möglichmacherin auf Augenhöhe mit dem Business. Dieses partnerschaftliche Modell schlug sich im Talk auch in einem Beispiel nieder: Bei einem Kunden stellt die IT BTP-Guthaben (Units) bereit und fordert den Fachbereich aktiv auf, damit Anwendungsfälle umzusetzen. So etwas wäre vor ein paar Jahren undenkbar gewesen – heute zeigt es den neuen Spirit: IT liefert den Werkzeugkasten, das Business die Ideen.
Zwischenfazit: Eine solide, moderne IT-Architektur ist der Enabler für Business Apps. Mit Leitplanken, Integration und Security im Rücken können Fachbereiche kreativ werden, ohne dass Chaos entsteht. Das organisatorische Ergebnis: Mehr Geschwindigkeit und Freiraum für die Innovation in den Fachabteilungen, gleichzeitig ein stabiler, erweiterbarer Kern, der von der IT umsichtig betreut wird.
KI im CX-Kontext: Mit konkretem Nutzen statt Hype
Ein Trendthema, das im Expert-Talk ausführlich diskutiert wurde, ist die künstliche Intelligenz (KI). Gerade im Vertrieb und Service gibt es riesiges Potenzial für KI – von automatisierten Empfehlungen bis zu Chatbots. Doch auch hier gilt: Anstatt ein riesiges KI-Großprojekt aufzusetzen, sollten Unternehmen punktuell und nutzenorientiert vorgehen.
Herausforderungen: KI ist ein (zu) weites Feld und mit viel Hype belegt. Viele Führungskräfte verspüren Druck, „irgendwas mit KI“ zu machen. Gleichzeitig sind Nutzer oft skeptisch, auch intern in den Teams. Akzeptanz ist also ein Thema. „KI kann hilfreich sein, aber man muss die Leute abholen“, betonte Wagner. Außerdem braucht KI eine Datenbasis – und vielen Unternehmen fehlt noch eine umfassende Dateninfrastruktur oder Erfahrung mit Machine Learning.
Lösungsansatz: Statt auf den großen Wurf zu setzen, empfiehlt sich ein iterativer Pragmatismus:
- Klare Use Cases definieren: Starten Sie mit einem klar umrissenen KI-Anwendungsfall, der echten Mehrwert bringt. Nicht „Wir machen jetzt KI“, sondern z.B. „Wir wollen eingehende Service-Tickets automatisch klassifizieren“. Oder: „Wir möchten Vertriebschancen automatisch priorisieren (Lead Scoring)“. Solche konkreten Ziele lassen sich verstehen und messen. Im Talk nannten die Experten u.a. diese Beispiele:
- Ticket-KI: Ein KI-Service liest neue Kundenanfragen (z.B. E-Mails) aus und erkennt Betreff, Stimmung und Dringlichkeit. Daraus erstellt er automatisch ein Ticket im richtigen Kategorie- und Prioritäts-Queue. Der Service-Mitarbeiter muss weniger sortieren und kann sich direkt wichtigen Fällen widmen.
- Lead Scoring: KI analysiert vergangene Verkaufsabschlüsse, um Abschlussscores für offene Leads oder Angebote zu berechnen. Der Vertrieb sieht auf einen Blick, welche Chancen heiß sind (und Priorität haben). Zudem kann das System passende Cross-/Upsell-Angebote vorschlagen (z.B. „Kunde A könnte auch Produkt B interessieren“).
- Angebotsnachverfolgung: Ein intelligenter Assistent überwacht versandte Angebote. Er erinnert Vertriebsmitarbeitende automatisch an fällige Follow-ups oder generiert bereits einen E-Mail-Entwurf zur Nachfassung. So wird eine lästige, aber wichtige Aufgabe – die im Talk explizit als Beispiel kam – deutlich vereinfacht.
- KI in Apps „mitdenken“: Diese Use Cases müssen nicht als eigenes großes KI-Projekt aufgezogen werden. Oft lassen sie sich als Erweiterung einer bestehenden App umsetzen – Winter sprach von „KI-Flavouring“, d.h. einer bestehenden Business App einen KI-Geschmack geben. Beispielsweise könnte die vorhandene Service-App via API einen externen KI-Dienst aufrufen, der den eingetippten Kundenbericht analysiert und Felder vorbefüllt. Technisch ist das eine zusätzliche Schnittstelle – der Aufwand bleibt gering, der Nutzen kann groß sein. Diese Einbettung hat auch kulturelle Vorteile: KI erscheint so als hilfreiches Feature einer vertrauten Anwendung, nicht als fremdes Überwachungstool.
- Im Prozess denken, nicht in Technologie: Dieses Motto zog sich durch den gesamten Talk. Es gilt besonders für KI: Die Einführung muss im Kontext des End-to-End-Prozesses erfolgen. Beispiel Vertrieb: Wo im Vertriebsprozess kann KI unterstützen, ohne den Ablauf zu stören? Vielleicht bei der Angebotserstellung (automatische Produktvorschläge) oder im CRM (Erfassen von Besuchsberichten per Sprache). Aber wahllos KI einzusetzen, nur weil es möglich ist, führt selten zum Erfolg. „Man darf niemals den Gesamtprozess aus dem Auge verlieren und nicht mit beiden Füßen reinspringen und sagen: Wir machen jetzt mal KI – irgendwas“, warnte Wagner deutlich. Seine Empfehlung: kleine, klar abgegrenzte KI-Funktionen schaffen, die wirklich helfen.
- Akzeptanz schaffen durch Nutzenkommunikation: KI-Projekte müssen Ängste abbauen. Zeigen Sie früh, wie KI Mitarbeitende entlastet. Zum Beispiel, indem Sie gemeinsam mit dem Team einen Prototyp ausprobieren, der eine zeitraubende Tätigkeit automatisiert. Wenn die Kollegen merken, dass ihnen Routinearbeiten abgenommen werden, steigt die Offenheit. „Man muss die Leute abholen und klar den Vorteil erkennen lassen – etwa Entlastung bei lästigen administrativen Tätigkeiten“, sagte Wagner. Dabei hilft es, KI nicht als Bedrohung, sondern als Assistenz zu positionieren.
- Externes Know-how gezielt nutzen: KI erfordert teils Spezialwissen (Datenaufbereitung, Modelltraining). Hier lohnt es sich, Expertenrat einzuholen, um keine Zeit zu verlieren oder Fehlwege zu gehen. Gleichzeitig sollte intern KI-Kompetenz aufgebaut werden – niemand will für jede Kleinigkeit abhängig von Dienstleistern sein. Die Talk-Gäste empfahlen einen Mix: Für den Einstieg und strategische Impulse gerne Partner hinzuziehen, aber die eigenen Leute mitnehmen und weiterbilden. Das entspricht SYBITs Prinzip „Strategie + Technologie verbinden“ und „kontinuierlich lernen“. So bleibt KI beherrschbar und im Sinne der Unternehmensstrategie ausgerichtet.
Zusammengefasst: KI im CX-Bereich entfaltet ihren Wert am besten in Kombination mit Business Apps. Kleine, intelligente Helferlemente können sowohl die Kundenerfahrung verbessern (Customer Experience) als auch die Mitarbeiter entlasten. Wichtig ist, Schritt für Schritt vorzugehen, basierend auf konkreten Prozessen und Daten – und den Menschen immer mitzunehmen. Dann wird aus dem Buzzword KI ein echter Wettbewerbsvorteil.
Praxisbeispiele für Business Apps (CX)
Im Expert-Talk wurden bereits einige Use Cases genannt, die verdeutlichen, wie Business Apps praktisch aussehen. Hier drei typische Beispiele – mit möglicher Umsetzung:
- Produkt-/Angebotskonfigurator: Use Case: Im Vertrieb komplexer Produkte (hier: Baubeschläge für Fenster) brauchte SIEGENIA eine Lösung, um kundenindividuelle Angebote schneller und fehlerfrei zu erstellen. Umsetzung: Gemeinsam mit SYBIT wurde ein Produktkonfigurator als Business App auf der SAP BTP entwickelt. Die App kombiniert modulare Bauteile zu kompletten Funktions-Sets und berechnet direkt den Preis. Verkäufer erhalten so in Minuten ein technisch gültiges Angebot – zuvor dauerte dies viel länger und war fehleranfällig. Die App läuft side-by-side zur SAP Sales Cloud und zum ERP, auf die sie live zugreift (Stammdaten, Preise). Besonderheit: Kunden können den Konfigurator ebenfalls nutzen, um selbst Produkte zu konfigurieren – ein echtes Self-Service-Erlebnis. SIEGENIA erzielt damit doppelte Wirkung: interne Effizienz und bessere Customer Experience. Technisch wurde auf Microservices gesetzt, um die hohe Produktvielfalt (zig Tausend Artikel) und regionale Preislisten flexibel abzubilden.
- Pricing-App für Vertriebsfreigaben: Use Case: In vielen Unternehmen müssen Sonderpreise oder Rabatte erst abgestimmt werden – ein zeitraubender Prozess per E-Mail. Eine Business App kann dies beschleunigen: Wenn ein Angebot einen bestimmten Rabatt überschreitet, triggert die App einen digitalen Freigabeprozess (inkl. Berechnung der neuen Marge). Die Verantwortlichen erhalten eine Benachrichtigung und können den Vorgang in der App prüfen (z.B. Kalkulationsdetails einsehen) und per Klick genehmigen oder ablehnen. Die App nutzt Echtzeitdaten aus ERP/CRM (aktuelle Preise, Deckungsbeiträge) und dokumentiert die Entscheidung wieder im Hauptsystem.
- Lead-Capturing-App: Use Case: Nach Messen oder Webinaren landen Interessentendaten oft in Excel-Listen. Eine Business App hilft, Leads strukturiert zu erfassen und rasch nachzuverfolgen. Umsetzung: Entwicklung einer mobilen Lead-App (z.B. mit SAP BTP). Messe-Mitarbeitende können damit Kontaktdaten, Notizen und Interessensgebiete eines Besuchers direkt am Tablet oder Smartphone eingeben. Die App synchronisiert live mit der SAP Sales Cloud: Jeder Lead wird sofort als potenzieller Kunde angelegt, inklusive Gesprächsnotiz. Über einen kleinen Automations-Flow (low-code) werden Folgeaktionen angestoßen – etwa eine vertriebliche Qualifizierung oder ein Trigger an das Marketing für den Versand von Infomaterial. Variante: Man kann auch bestehende Lösungen wie snapADDY integrieren (für Visitenkartenscan etc.), doch eine eigene App lässt sich genau an die Bedürfnisse anpassen (z.B. individuelle Messe-Fragen). Eine solche Lead-App ist meist innerhalb weniger Wochen pilotfähig und verschafft dem Vertrieb einen Vorsprung bei der Nachbereitung von Kontakten.
Diese Beispiele verdeutlichen: Business Apps sind so vielseitig wie die Geschäftsprozesse selbst. Wichtig ist, dass jede App klar eingegrenzt ist (was sie tun soll und was nicht) und sauber in die vorhandene Prozess- und Systemlandschaft eingebettet wird. Dann liefern sie genau das, was der Name verspricht – geschäftlichen Mehrwert. Und sie folgen dem Prinzip „End-to-End Customer Experience statt Einzellösungen“: Zwar kümmert sich jede App um einen Teilprozess, aber durch Integration ergeben sie zusammen ein stimmiges Ganzes entlang der Customer Journey.
Fazit: Schrittweise zum Erfolg – Empfehlungen
Die Ära der Mammutprojekte neigt sich dem Ende zu. Business Apps haben sich in unserem Expert-Talk als zeitgemäße Antwort auf die Herausforderungen moderner CX-Projekte gezeigt. Sie ermöglichen es, große Digitalisierungsziele in überschaubare Schritte zu unterteilen – und dadurch schneller, flexibler und erfolgreicher zu erreichen. Fachbereiche gewinnen an Gestaltungsspielraum, die IT behält die Kontrolle über das große Ganze. Im Idealfall entstehen so Lösungen, bei denen alle profitieren: Der Fachbereich bekommt schnell was er braucht, die IT muss nichts „durchdrücken“, und die Kund*innen spüren kontinuierliche Verbesserungen.
Zum Abschluss einige klare Empfehlungen aus den Erkenntnissen des Talks, wie Sie Business Apps erfolgreich im Unternehmen verankern:
- Ausgewogener Ansatz ist entscheidend: Nicht jedes IT-Vorhaben lässt sich in eine kleine App aufteilen, und nicht jedes Großprojekt ist per se schlecht. Die Kunst besteht darin, große Visionen in eine Folge smarter, überschaubarer Projekte zu übersetzen. Erfolgreiche Unternehmen definieren einen übergreifenden digitalen Fahrplan (z.B. Kundenfokus, End-to-End-Digitalisierung) – und setzen ihn dann iterativ um, mit einem Mix aus Standardlösungen und gezielten Business-Apps dort, wo sie den Unterschied machen.
- Quick Wins priorisieren: Identifizieren Sie früh Teilbereiche mit hohem Nutzwert und setzen Sie dort als erstes an. Lieber frühe Erfolge vorweisen als ein Perfektionsprojekt, das nie fertig wird. Diese Quick Wins schaffen Motivation und rechtfertigen weitere Investitionen. Beispiel SIEGENIA: Erst der Angebotskonfigurator (brachte sofort Nutzen), dann folgen weitere Ausbaustufen. Dieses schrittweise Vorgehen erhöht die Erfolgschance enorm und verhindert „Projektmüdigkeit“.
- Fachbereiche einbeziehen – Ownership fördern: Überlassen Sie die Digitalisierung nicht alleine der IT. Binden Sie die Fachbereiche aktiv ein, z.B. durch Key User im Projektteam oder sogar Co-Development (Stichwort Low-Code-Prototypen). Der Vertrieb weiß am besten, was er braucht – geben Sie ihm eine Stimme im Projekt. Gleichzeitig muss der Fachbereich aber auch Verantwortung übernehmen: Wenn „seine“ App erfolgreich ist, profitiert das Team direkt. Dieses Mindset führt zu höherer Akzeptanz und besseren Ergebnissen.
- Stabilität und Sicherheit durch klare Architektur: „Keep the core clean“ – den Kern sauber halten, lautet ein SAP-Leitspruch. Setzen Sie bei Erweiterungen konsequent auf entkoppelte Architekturen (APIs, Microservices) und nutzen Sie die Möglichkeiten Ihrer Plattform (etwa die SAP BTP) voll aus. Die IT-Abteilung sollte einen Rahmen vorgeben (Technologiestack, Schnittstellenstandards, Datenmodell), in dem die Business Apps spielen dürfen. Das verhindert Wildwuchs und stellt sicher, dass alle Puzzlestücke am Ende zusammenpassen. Im Ergebnis profitiert auch die IT: Updates der Kernsysteme werden leichter, weil weniger harte Abhängigkeiten bestehen, und neue Anforderungen lassen sich schneller andocken.
- Schritt für Schritt weiterlernen: Nach dem Rollout ist vor dem Rollout. Etablieren Sie eine Kultur der kontinuierlichen Verbesserung. Messen Sie die Wirkung jeder App (KPIs, Feedback) und optimieren Sie sie iterativ. Nutzen Sie die Erfahrungen für kommende Apps – vielleicht gibt es schon Komponenten, die Sie wiederverwenden können. Bleiben Sie außerdem technologisch am Ball: Evaluieren Sie neue Plattform-Features (z.B. SAP Build) und prüfen Sie, ob sie für Ihre Zwecke reif sind. Continuous Learning ist ein Prinzip, das SYBIT selbst lebt und seinen Kunden weitergibt.
- Externe Expertise nutzen – aber intern verankern: Beratung vor Tool bedeutet auch: Holen Sie sich frühzeitig Rat von erfahrenen Partnern, bevor Sie im Alleingang etwas entwickeln, was nicht zukunftsfähig ist. SYBIT etwa hat schon viele Business-Apps-Projekte umgesetzt und kennt Best Practices (und Stolperfallen). Diese Erfahrung können wir einbringen, damit Sie nicht jedes Rad neu erfinden. Gleichzeitig ist uns wichtig, Ihr Team mitzunehmen: Wir entwickeln oft gemeinsam mit den Mitarbeitenden des Kunden, um Know-how aufzubauen. So bleiben Sie unabhängig und können Ihre Lösungen selbst weiterführen. Finden Sie die richtige Balance aus externem Impuls und interner Kompetenz – das sichert langfristig Qualität und Innovationsfähigkeit.
Zum Abschluss bringt Thomas Winter es auf den Punkt: “Business Apps sind nicht nur eine gute Möglichkeit, sondern die einzige für Fachbereiche, um in Zukunft ihre CX-Anforderungen abzubilden”. Die Zeit der Monolithen ist vorbei – allein schon, weil moderne Cloud-Systeme modular gedacht sind. Wer jetzt auf kleine, integrierte Lösungen setzt, gewinnt doppelt: schnellere digitale Erfolge und eine flexible IT-Landschaft, die bereit ist für alles, was da kommt. Gerade im Customer-Experience-Umfeld, wo Kundenerwartungen rasant steigen, sind Business Apps ein echter Game-Changer. Sie ermöglichen es, innovative Ideen sofort in die Tat umzusetzen, ohne jahrelange Vorlaufzeit.
Glossar
- Business App: Kleine, modulare Anwendung, die einen klar umrissenen Geschäftsprozess digitalisiert und in bestehende IT-Strukturen integriert wird.
- Side-by-Side Extension: Erweiterung einer Standardsoftware (z.B. SAP Sales Cloud) durch externe Apps, die über Schnittstellen angebunden sind, ohne das Kernsystem zu verändern.
- SAP Business Technology Platform (BTP): Cloud-Plattform von SAP zur Entwicklung, Integration und Verwaltung von Business Apps und Erweiterungen.
- Microservice: Architekturprinzip, bei dem Anwendungen in kleine, unabhängige Services zerlegt werden, die über Schnittstellen kommunizieren.
- Low-Code: Entwicklungsansatz, bei dem Anwendungen mit minimalem Programmieraufwand erstellt werden, oft über grafische Benutzeroberflächen.
- Minimum Viable Product (MVP): Frühe, funktionsfähige Version einer Anwendung, die mit minimalem Aufwand einen ersten Nutzen bietet.
- KI-Flavouring: Integration von KI-Funktionen als Zusatz zu bestehenden Business Apps, z.B. für Automatisierung oder intelligente Empfehlungen.